Aktiv & Vital KW 29/22

Der Müller und der Teufel

In einer der hiesigen Mühlen – war es die Klostermühle am Eingang des Dorfes oder war es die Obermühle – wer vermag es heute zu sagen – kehrte von Zeit zu Zeit ein armer Pilger ein. Stets wurde ihm von der gutmütigen Müllerin ein warmes Abendessen gereicht und in dem warmen Kuhstall durfte er auf weicher Strohstreu übernachten.

Einmal nun wie er so nachts im Stalle lag, gingen ihm allerlei Gedanken im Kopf herum und der Schlaf floh seinen Augen. Als zwölf dumpfe Glockenschläge vom nahen Kloster Mitternacht verkündeten, öffnete sich die Tür und der Müller und seine Frau traten in den Stall. Der Müller trug schweres Silbergeld in einem Säckchen; die Müllerin, die gar verängstigt aussah, musste ihm mit einer Laterne voraus leuchten. Leise schlich der Müller an den Pilger heran, beobachtete ihn eine Weile. Der hatte die Augen fest geschlossen und tat als ob er schlief. Zufrieden nickte der Müller und dachte bei sich: „Von dem habe ich bestimmt nichts zu fürchten, der hört und sieht nichts!“

Dann ließ er sich von der Müllerin in die daneben liegende Scheune leuchten. Im Scheunenbarren hatte nämlich der Müller sein Geld versteckt und es der Obhut des Teufels anvertraut. Heute sollte der heimliche Schatz um ein gutes gehaltvolles Stück vermehrt werden. Zwar suchte der Teufel seinen Partner vor dem wachenden Pilger zu warnen, indem er ein über das andermal rief: „Es guckt! Es guckert!“ Der Müller aber konnte die Ängstlichkeit des Bösen nicht begreifen und sagte: „Was machst du für ein erbärmliches Geschrei, schwarzer Bruder?

Beruhige dich nur. Das Mittel, den Schatz zu heben, weiß außer uns dreien keine Seele auf der Welt: Oder ist es nicht so? Wer wird denn auch auf den Gedanken kommen, dass nur ein Flammkuchen über und über mit Schuhnägeln gespickt, das Geld deiner Macht entreißen kann. Drum Gevatter an die Arbeit! Sonst geht die kurze Geisterstunde ungenutzt vorüber!“ Mit vereinten Kräften lösten der Schwarze und der Weiße einen schweren Quader aus dem Mauerwerk, der ein kleines Gemach verdeckte, in welchem des Müllers Schätze verborgen lagen. Das Säcklein harter Taler wurde dazu getan und die verborgene Schatzkammer wieder verschlossen. Der Müller und sein Weib kehrten sodann ins Wohnhaus zurück und der Teufel übernahm wieder die Wacht.

Am folgenden Tag verließ der Pilger die Mühle und kehrte lange Jahre da nicht wieder ein. Der Müller, der in Verbindung mit dem Bösen stand, war ihm zu unheimlich geworden. Als er endlich wieder in die Gegend kam, hörte er, dass die Müllers Leute gestorben waren. Daher beschloss er in der Mühle wieder um ein geruhsames Lager zu bitten. Die Müllers Kinder begrüßten ihn als einen alten Bekannten und nahmen ihn freundlich auf. Teilnehmend erkundigte er sich nach ihrem Ergehen und musste erfahren, dass sie in fortwährender Geldverlegenheit seien. „Wir dachten nach dem Tode der Eltern volle Kisten und Kasten zu finden. Aber alles war leer. Nirgends können wir das Geld, das der Vater wohl versteckt hat, auffinden, wir haben schon alles im ganzen Haus umgewendet!“

Nun erzählte der fromme Mann getreu und ausführlich, was er in jener Nacht gesehen und gehört hatte. Da wurden die Betrübten froh. Der Bruder trug Holz herzu und machte ein Feuer, die Schwester beeilte sich einen Flammkuchen zu backen, den sie mit Schuhnägeln spickte so viel nur Platz darin finden konnten.

Kurz nach Mitternacht kam er aus dem heißen Ofen und mit dem letzten Glockenschlag legten sie ihn an der von dem Pilger bezeichneten Stelle nieder. Da tat sich sogleich die Schatzkammer auf, vor ihnen lagen unzählige Gold- und Silberstücke. Da erhob sich der Teufel mit großem Gepolter und fuhr lauthals scheltend durch das Gebälk zum Dach hinaus. Reich beschert verließ der Pilger die Mühle. Den Müllers Kindern aber ging es wohl, solange sie lebten.

Dies ist wieder eine Geschichte von Georg Spieß, Ramsen aus „Unsere Heimat“.