Aktiv & Vital KW 10/23

Unser Tipp

Von Karten und Kegeln

Neben unseren alltäglichen Verpflichtungen brauchen wir auch Orte für gesellige Stunden. Für die Generation meines Vaters und Großvaters war das auch der Stammtisch in der Dorf- und Eckkneipe. Hier traf man sich nach Feierabend auf ein Glas Bier oder einen Schoppen Wein, manchmal auch einige mehr.

Hier wurde geraucht, was das Zeug hielt, vornehmlich Zigarren. Den meist Älteren ging es weniger um den Alkohol- oder Tabakkonsum, sondern mehr um die zwischenmenschlichen Kontakte. Der Stammtisch stand fürs Loslassen vom Alltag, Pflege von Beziehungen, Austausch von Klatsch und Tratsch und natürlich: das Politisieren. Die Kneipe war das heutige Facebook.

Ein Kreuz hat jeder

An mindestens einem Tisch wurde „Skat gekloppt“, wie es hier bei uns an der mittleren Sieg hieß. Und das geschah mitunter recht hitzig. Das Skatspiel, 1813 in der thüringischen Stadt Altenburg erfunden, ist das populärste deutsche Kartenspiel. Es besteht aus 32 Karten und hat immer drei aktive Spieler. Ein gut durchdachtes Regelwerk ermöglicht eine unglaublich große und jegliche Vorstellung sprengende Anzahl von Spielvarianten, nämlich über 2,7 Billiarden. Skat ist ein Abenteuer und Wettkampf pur. Es ist deshalb auch kein Zeitvertreib für Menschen mit schwachen Nerven, sondern ein Spiel für Abenteurer. Eine Würdigung der ganz besonderen Art erfuhr das Skatspiel im Dezember 2016: Es wurde als immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt.

 Gut Holz!

Den meisten Kneipen waren auch Kegelbahnen angegliedert, im Keller gelegen oder in einem Anbau. Ab den 1960er-/1970er-Jahren gehörten Nachmittage oder Abende auf der Kegelbahn zum angesagten Freizeitprogramm. Sie waren Sinnbild für Geselligkeit. Die Kegelbrüder und Kegelschwestern trafen sich wöchentlich oder monatlich, typisch deutsch vereinsmäßig organisiert, also ausgestattet mit Statuten, Präsides, Schriftführer, Kassenwart, Kegelordnung mit Strafliste, Kegelbuch …

Da wurde dann zwei, drei Stunden lang gekegelt. Danach saß man noch weiter zusammen, um das Spiel mit Lob und Tadel zu „analysieren“. Es wurde gelacht, getrunken, gegessen. Wenn man dann auseinanderging, freute man sich schon auf das nächste Treffen. Highlights waren immer die jährlichen Kegelausflüge – obligatorisch und überdies feuchtfröhlich und ausgelassen.

Die Zugehörigkeit zu einem Kegelklub stand für etwas ganz Besonderes. Nicht die sportliche Aktivität, sondern das regelmäßige Zusammenkommen, das Spaß haben in der Gemeinschaft und in gewisser Weise auch das Füreinander-Eintreten waren wichtig. Wer sich als Neuling für eine Mitgliedschaft interessierte, brauchte einen langen Atem und „eine Empfehlung“ eines anderen Kegelbruders oder einer anderen Kegelschwester.

Und heute?

Beide Geselligkeitsarten sind ein wenig aus der Mode gekommen. Immer mehr Dorfkneipen und damit auch Stammtische und Kegelbahnen verschwinden. Die Freizeitgewohnheiten haben sich insbesondere durch die digitale Welt und die Flexibilisierung des Arbeitslebens radikal verändert. Beiden Spielen fehlt der Nachwuchs. Skat kann man allerdings inzwischen ganz bequem und sehr komfortabel auch am PC spielen. Alles hat also seine Zeit!

 

Quelle: Senioren-Info Spätlese (AH)