Aktiv & Vital KW 13/23

Familienspiele:

wie wir lernen zu verlieren – und gewinnen

Geburtsjahrgang 1940, bin ich mit vier älteren Geschwistern aufgewachsen. Und das – auch während der Kriegsjahre – wohlbehütet. Für mein leibliches Wohl war die älteste Schwester zuständig. Einer der älteren Brüder war sozusagen der „Animateur“ für mich. Er konnte mich mit seinen selbst erfundenen Märchen bei Laune halten und mir jegliche Angst nehmen.

Mit Zunahme der Bombenangriffe Ende 1943 wurden die Tagesabläufe „strukturiert“ durch häufigere Aufenthalte im Luftschutzkeller und Luftschutzbunker. Da ging es ums blanke Überleben. Für gemeinsame Spiele in der Familie hatte da niemand Zeit oder Interesse. Ich konnte mich mit Teddybär und Kasperlefigur bestens beschäftigen.

Nach dem Krieg haben wir sonntags zusammen gespielt. Dank der Voraussicht meiner Mutter hatte eine stabile Holzkiste mit einer Unmenge von Brett- und Kartenspielen den Krieg überstanden. Mein Vater spielte mit einem der Brüder Schach. Mein Spielzeugbestand wurde um eine Eisenbahn und einen Märklin-Baukasten erweitert. Das kam mir auch sehr entgegen, weil ich am liebsten allein spielte.

Gefühle zeigen

Irgendwann hatte ich begriffen, dass eine meiner Schwestern eine Meisterin im Schummeln war. Was sie aber immer abstritt. Das wollte ich selbstverständlich nachmachen – und fiel prompt auf. Da gab es dann großen Aufstand und zwei, drei Kopfnüsse – und ich wurde ausgeschlossen. Was ich aber aus den wenigen Malen des Mitspielens in der „großen Runde“ lernen konnte: Ich durfte Gefühle zeigen, wie etwas Stolz, Enttäuschung, Freude und Wut. Es hat mir gezeigt, dass man für sein Handeln, wie das Schummeln, auch einstehen und Einsicht zeigen muss. Das habe ich dann auch getan und aufs Mitspielen verzichtet.

Ohnehin wurde das gemeinsame Spielen bald beendet. Die älteste Schwester stand vor der Hochzeit, der älteste Bruder ging zum Studium. Ich selbst habe mich dann für den Klavierunterricht entschieden und war völlig ausgelastet. Und den Märklin-Baukasten hatte ich ja immer noch.

Sich den Spieltrieb erhalten

Im Laufe der Zeit ergab es sich, dass meine Mutter wieder Interesse am Spielen fand. Sie liebte die klassischen Spiele Halma, Mensch ärgere dich nicht und vor allem Rommé. Wir beide, manchmal kam auch noch eine gute Bekannte von ihr hinzu, haben dann jeden Sonntag Rommé gespielt. Es war Ehrensache für mich, nicht zu schummeln. So ging es dann einige Jahre, bis ich zur Bundeswehr musste. In unserer Familie wurde weder Skat gespielt noch gekegelt. Deshalb war ich auch an diesen beiden Spielarten nie interessiert. Hingegen habe ich das Klavierspiel bis heute beibehalten. Wenn ich Zeit und Lust habe, spiele ich gelegentlich am PC auch schon mal zwei bis drei Partien Schach. Mein Bedarf am Spielen ist damit ausreichend gedeckt.

Der amerikanische Mediziner und Schriftsteller Oliver Wendell Holmes sen. (1809-1894) sagte: „Menschen hören nicht auf zu spielen, weil sie alt werden, sondern sie werden alt, weil sie aufhören zu spielen.“ Da kann ich in gewisser Weise wohl zuversichtlich sein: Denn den Spieltrieb habe ich mir erhalten und pflege ihn auch sorgfältig.

„Das Spielzeug an sich ist Nebensache, die fantasievolle Beschäftigung damit ist alles.“

Peter Rosegger (1843-1918)

 

Quelle: Senioren-Info Spätlese (AH)